Wo soll die die neue Straßenbahnstrecke zwischen dem S-Bahnhof Pankow und dem Pasedagplatz in Weißensee entlang führen? Nach über zwei Jahren kam heraus: Von 20 Varianten wurde die mit dem zweitgrößten Umweg ausgesucht. Während der Bus X54 auf direktem Weg – Variante 3A – 4 Kilometer Strecke zurücklegt, soll die Straßenbahn – gemäß Variante 4C – einen Kilometer länger in einem nördlichen Bogen durch ein Einfamilienhausgebiet und die Heinersdorfer Kleingartenanlage „Am feuchten Winkel“ fahren.

Die Verwaltung bleibt damit ihrer Linie treu: Wenn schon eine neue Straßenbahnstrecke sein soll, dann möglichst ohne Beeinträchtigung des Autoverkehrs. Entweder soll die Straßenbahn im Autostau stehen (Invalidenstraße) oder vor jeder Ampel (u. a. Adlershof) oder eben wie die Nordtangente außen herumfahren – wo bislang nicht einmal Busse verkehren.

Dafür erhält die Straßenbahn dann eine eigene Trasse. Dennoch wird die Fahrt länger dauern als mit dem Bus. Daher wurde ihr volkswirtschaftlicher Nutzen auch nur knapp positiv berechnet.

So bringt man die Verkehrswende nicht voran, aber Kleingärtner gegen sich auf.

Hier soll die Straßenbahn von der Romain-Rolland-Str. in Richtung Nordwesten abbiegen

 

 

Wo jetzt noch dieser Weg durch die KGA „Feuchter Winkel Ost“ verläuft, soll die Straßenbahntrasse gebaut werden

 

Verkehrsfachliche Kurzanalyse

Reisezeit und Verbindungsqualität
Vom Weißenseer Pasedagplatz zum Bf. Pankow soll die Strecke verlängert werden. Bislang fährt dort auf direktem Wege der Bus X54 – Rennbahnstr. – Romain-Rolland-Str. – Rothenbachstraße – Granitzstraße – analog Var. 3A – ohne Malchower Str. mit 7 Haltestellen.
In der HVZ benötigt er für die knapp 4 km 14 Minuten, in der NVZ 12 Minuten.
Das entspricht einer Beförderungsgeschwindigkeit von 16,9 km/h (HVZ) bzw. 19,75 km/h (NVZ).

Die Länge der Vorzugsvariante 4C – die zweitlängste der ursprünglich „sich aufdrängenden“  20 Varianten – wird mit 5 km angegeben (ab Pasedagplatz), also um ¼ mehr. Um diese Strecke mit 8 Haltestellen in 12 Minuten zurückzulegen, ist eine Beförderungsgeschwindigkeit von 25 km/h erforderlich – ein unrealistisch hoher Wert. Für 14 Minuten sind noch 21,4 km/h erforderlich, was für Berlin (also ohne wirksamen Vorrang an LSA) auch noch sehr hoch ist und in der HVZ eher unrealistisch.

Fazit Reisezeit: Die Straßenbahn wird länger brauchen als der Bus.
Die Verbindung wird also komfortabler, dauert aber länger.
Wie bei der Strecke zum Hauptbahnhof (wenn auch aus anderen Gründen).

Erschließungsqualität
Was wird durch den Umweg über den „feuchten Winkel“ erschlossen?

Auszug Flächennutzungsplan, Ausschnitt deckungsgleich zu obiger Grafik mit den Trassenvarianten:

Auszug Flächennutzungsplan: gelb – Hauptverkehrsstraßen, lila mit B: Krieger-Gelände, noch als Bahnfläche

 

FNP: Auszug Legende

Die Erschließungswirkung beschränkt sich gem. FNP auf Gebiete mit geringer oder sehr geringer Siedlungsdichte und einen kleinen Bereich Mischgebiet. So etwas ist i. d. R. nicht straßenbahnwürdig.

Bebauungsplan

Der Entwurf des B-Plans 3-60 (Krieger-Gelände „Pankower Tor“) ist im Verfahren, siehe https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/aemter/stadtentwicklungsamt/stadtplanung/bebauungsplan/bebauungsplan.1185746.php.

Entwurf B-Plan 3-60, Blatt 2, abgerufen am 02.04.22. Der oben gut erkennbare Ringlokschuppen soll Gewerbegebiet (grau) werden

Die Straßenbahntrasse ist im B-Planentwurf nicht erkennbar. Laut Begründung „soll [sie] als Trassenfreihaltung innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans 3-60 ebenso berücksichtigt werden“. Die Kleingärtenflächen sind als „Gemeinbedarf“ lila eingefärbt und sollen mit Straßen zerschnitten werden.

Fazit

Die umwegige Linienführung resultiert also offenbar nicht aus einer Erschließungsnotwendigkeit, die höher gewichtet wird, als die Verbindungsqualität. Diese Gewichtung wäre auch eher für Buslinienführungen üblich, anstatt bei Schienenverkehr.
Daraus dürfte auch das nur knapp positive Ergebnis bei der NKU resultieren.