SPD und BVV wehren sich. Wir fordern Abstufung zur Landesstraße
Die ideologische, vorgestrige und klimaschädliche Pro-Auto-Politik der CDU geht weiter: Per Anfrage kam heraus, dass der Senat lediglich eine 1:1-Instandsetzung der Berliner Allee im Abschnitt Pistoriusstraße bis Rennbahnstraße plant. Dieser Beschluss reiht sich ein in die lange Liste radverkehrsfeindlicher und teurer Entscheidungen, die auch noch Millionen von Fördermitteln verfallen lassen und rares Fachpersonal vergraulen.
Er widerspricht nicht nur dem Koalitionsvertrag, der – als einziges konkretes Projekt – die Machbarkeitsstudie zur Berliner Allee enthält, sondern auch den „Richtlinien der Regierungspolitik“ des Senats, in denen es heißt „Der Senat beauftragt für die Sanierung und Umgestaltung der Berliner Allee (B2) eine Machbarkeitsstudie.“ Der Senat tut also nicht, was er aufgeschrieben und versprochen hat.
Nun ist die Empörung – bei der SPD-Fraktion und auch in der BVV Pankow – groß. Die BVV hatte schon vor 12 Jahren Beschlüsse zum Umbau der Berliner Allee verabschiedet.
2019 ließ sich die damalige grüne Hausleitung von der Erzählung fehlleiten, ohne Machbarkeitsstudie ginge die Planung von Radwegen doch viel schneller – und die Verwaltung plante nichts.
Nachdem die Verwaltung mitteilte, die Aufgabenstellung zum Umbau der Berliner Allee (resultierend aus den BVV-Beschlüssen) sei unklar und widersprüchlich, wurde kurz nach der Wahl der schon in der letzten Legislatur erstellte entsprechende Abgeordnetenhaus-Antrag der SPD mit unserer Hilfe aktualisiert und ergänzt, von der Fraktion verabschiedet und liegt seitdem (wie viele andere SPD-Anträge auch) bei der CDU-Fraktion. Die ignoriert ihn seither und auch keine der Verkehrssenatorinnen gab der Verwaltung den Auftrag zur Machbarkeitsstudie. Das ließ sich die SPD-Fraktion erstaunlich lange gefallen.
Nun ist es u. E. für eine Machbarkeitsstudie zu spät, da die nächste AGH-Wahl schon bald bevorsteht: Es müsste ja zunächst eine Ausschreibung vorbereitet werden, womit die Verwaltung bekannterweise Jahre verbringen kann. Und ohne erweiterte Aufgabenstellung (wie im SPD-Antrag enthalten) hat auch eine Machbarkeitsstudie keinen Zweck. Selbst wenn es eine solche Aufgabenstellung gäbe und ein Planungsbüro noch im Jahr 2024 mit der Machbarkeitsstudie anfinge, läge sie vermutlich frühestens kurz vor der AGH-Wahl im Herbst 2026 vor. Nach der Wahl käme die Studie in den Giftschrank und alles finge (mal wieder) von vorne an.
Derweil haben wieder die Verfechter der autogerechten Stadt Oberwasser, die mit der Ortsumfahrung Malchow und der vorgesehenen Durchbindung des neuen Wohngebiets „Blankenburger Süden“ auf die B2 noch mehr Autoverkehr auf die Berliner Allee lenken wollen.
Die Senatsantwort zur o.g. Anfrage enthält zudem einen eklatanten Fehler, der insgesamt an der Qualität der Antwort zweifeln lässt: die versprochene Verbreiterung der Fußgängerfurt Höhe Smetanastraße ist längst erfolgt. Die darin versprochenen Prüfaufträge halten wir für folgenlose Beruhigungspillen.
Die angeblichen „Alternativpläne“ der CDU stehen so ähnlich und bislang folgenlos im jüngst stückweise abgesagten Radverkehrsplan der Verwaltung. Die darin enthaltene Verbindung Bizetstraße – Gartenstraße (interner Link, bitte scrollen) erfordert die Verlegung der Straßenbahnhaltstelle und damit den Umbau der Einmündung der Indira-Ghandi-Str. in die Berliner Allee. Damit ist dieser Vorschlag reine Theorie ohne Chance auf Realisierung.
Für die Glaubwürdigkeit – insbesondere der SPD wären u. E. jetzt kurzfristig realisierbare Maßnahmen hilfreich. Am besten solche, die bis zur Wahl für alle sichtbar sind. Die stehen im SPD-Antrag als „vorlaufende Maßnahmen“:
- Pop-up-Radspuren in beiden Fahrtrichtungen der Berliner Allee
- Ergänzung der fehlenden Fußgängerfurten an diesen Kreuzungen: Berliner Allee/Pistoriusstraße, Berliner Allee/Indira-Ghandi-Straße, Berliner Allee/Rennbahnstraße.
Wir bitten daher die SPD, anstelle der Machbarkeitsstudie diese Maßnahmen durchzusetzen und würden uns über Unterstützung der BVV Pankow und des Bezirksamts freuen.
Die Senatsverwaltung ist anscheinend der Ansicht, das Bundesfernstraßengesetz stehe über dem jüngst verbesserten Straßenverkehrsgesetz (StVG) und als oberste Priorität sei daher auf einer Bundesfernstraße weiterhin ausschließlich und unveränderbar die „Leichtigkeit“ des Kfz-Verkehrs zu gewährleisten. Das neue StVG und die StVO erkennen hingegen auch andere Ziele an, so dass Kompromisse zwischen Kfz- und anderem Verkehr bei einer Landesstraße juristisch einfacher sind. Mit dieser Auffassung wird auch das Berliner Mobilitätsgesetzt ausgehebelt, nach dem Radverkehrsanlagen entlang von Hauptverkehrsstraßen verbindlich vorgeschrieben sind.
Wir versuchen seit Februar 2024, über einen Bundestagsabgeordneten juristisch klären zu lassen, ob diese – recht neue – dogmatische Rechtsauffassung tatsächlich richtig ist. Bislang liegen uns aber hierzu noch keine weiteren Informationen vor.
Falls man diese Rechtsauffassung hinnehmen will oder muss, hilft die Abstufung zur Landesstraße, für die es inzwischen gute Gründe gibt:
Seit 2018 gibt es auf der Berliner Allee erhebliche Einschränkungen der Leistungsfähigkeit für den Kfz-Verkehr durch Baustellen. Die Einschränkung von zwei auf nur eine Kfz-Spur pro Richtung begannen mit der Einrichtung von SEV-Spuren, es folgte die Gleiserneuerung der BVG und anschließend Kanalarbeiten der BWB.
Die Spurreduzierungen erfolgten rund um die Uhr über jeweils mehrere Monate auch außerhalb der Schulferien in verschiedenen, direkt aufeinander folgenden Bauphasen. Sie blieben auch in den letzten beiden Wintern auch während der winterlichen Bauruhe in Kraft. Im letzten Winter sogar obwohl die gesperrte Fahrbahnseite fertig asphaltiert war. Seit April 2024 gibt es stadteinwärts eine Vollsperrung zwischen Rennbahnstraße und Buschallee.
Durch die jahrelangen wechselnden Einschränkungen wurde der Kfz-Verkehr auf der Berliner Allee ganz erheblich reduziert. Auch der weiträumige Durchgangsverkehr ortskundiger Spediteure hat sich andere Wege gesucht.
Die Berliner Allee hat somit ihre Verkehrsbedeutung als Bundesfernstraße verloren.
Andernfalls wären die Fahrstreifeneinschränkungen während der Bauruhen in den letzten beiden Wintern (22/23, 23/24) aufgehoben worden und für die seit April 2024 bestehende Vollsperrung gäbe es schon auf der Autobahn Hinweisschilder mit Verweisen auf andere Ausfahrten.
Es wäre eine weiträumige Umleitung über andere Autobahnzufahrten und Bundestraßen und/oder mindestens über innerörtliche Hauptverkehrsstraßen ausgeschildert, wie z. B. über die Roelckestraße.
Nach Ansicht der Verantwortlichen bei SenV genügt jedoch für die derzeitige, für 1 Jahr angekündigte Vollsperrung stadteinwärts eine lediglich nahräumige Umleitung über Weißenseer Nebenstraßen, beschildert hinter der Roelckestraße.
Das ist keine geeignete Verkehrsführung für eine Bundesstraße, die gemäß Bundesfernstraßengesetz dazu bestimmt ist, „weiträumigen Verkehr“ aufzunehmen. Gemäß Berliner Straßengesetz sind auch Landesstraßen 1. Ordnung für „weiträumigen Verkehr“ bestimmt.
Daher muss sie lt. Gesetz abgestuft werden:
Auszug Bundesfernstraßengesetz §2, Satz 4:
Weitere Gründe für die Abstufung gemäß § 2 Satz 4 Bundesfernstraßengesetz: Das „öffentliche Wohl“:
Die gesundheitsschädliche Lärmbelastung jenseits aller Richt- und Grenzwerte (u. a. durch die vielen Lkw) wurde in der Senatsantwort der aktuellen Anfrage erneut eindrucksvoll beziffert.
Die Funktionen der Berliner Allee als
- Teil des ÖPNV-Vorrangnetzes
- Einkaufsstraße (Einzelhandelskonzentration gem. Flächennutzungsplan)
- Wohnstraße (geschlossene Randbebauung mit ganz überwiegend Wohnhäusern)
- Schulstandort und auf Schulwegen von Grundschülern zu queren (vgl. Schulwegpläne des Bezirks)
- Standort von Senioren- und Behindertenheimen
- Unverzichtbare Radroute zur Verbindung des Moselviertels mit dem Komponistenviertel
sind Teile des „öffentlichen Wohls“ und aufgrund der vielen Konflikte – u. a. wegen der enormen Lärmbelastung – nicht mit ihrer Widmung als Bundesstraße vereinbar.
Auch daher ist die Berliner Allee gemäß Bundesfernstraßengesetz vom Land Berlin (SenV) zur Landesstraße abzustufen und zwar zur Landesstraße 2. Ordnung. Genau diese Abstufung war in den alten StEPen Verkehr 2011 und 2017 [int. Links?] auch vorgesehen, wurde aber auch unter grüner Hausleitung nicht umgesetzt.
Selbst der direkt auf die A114 führende, breitere Straßenzug Prenzlauer Allee – Prenzlauer Promenade mit geringerer Lärmbelastung und durchgehend separater Straßenbahntrasse ist „nur“ eine Landesstraße.
Nachdem es für die einzig konkret benannte verkehrspolitische Aufgabe aus dem Koalitionsvertrag zu spät ist kann mit dem nötigen politischen Willen die Glaubwürdigkeit der Koalition wieder hergestellt werden. Argumente für das Überwiegen des öffentlichen Wohls und den Bedeutungsverlust der Berliner Allee als Bundesstraße gibt es ausreichend. Die Koalition muss es einfach nur machen.