Bereits vor zwei Jahren sollte der Durchgangsverkehr aus dem Komponistenviertel durch gegenläufige Einbahnstraßen verunmöglicht werden. Nach Pfingsten 2023 war es endlich soweit.
PROJEKTBESCHREIBUNG
Zum Kiezblockverfahren
Das Kiezblockverfahren Komponistenviertel wird mit viel Aufwand als mehrjähriges Planungs- und Forschungsverfahren durchgeführt. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, man muss sich aber auch fragen, ob dieses Engagement nicht von den viel größeren Problemen an der Berliner Allee ablenken soll. Im Grunde geht es beim Komponistenviertel um die Unterbindung des Kfz-Durchgangsverkehrs in der Bizetstraße als Umfahrung der Berliner Allee. Hierfür liegen schon seit Jahren auch von uns Vorschläge auf dem Tisch, die im Rahmen eines Verkehrsgutachtens unter Einbeziehung der Bewohner umgesetzt werden könnten.
Die planerischen Kapazitäten und finanziellen Mittel wären besser bei einem fahrradgerechten Umbau der Berliner Allee eingesetzt. Das Berliner Mobilitätsgesetz fordert schließlich Radwege an allen Hauptverkehrsstraßen und für die Berliner Allee könnte externe Expertise helfen, verwaltungsinterne Blockadehaltungen zu durchbrechen.
Zum Verkehrskonzept
Die Bizetstraße wies ohne „Kiezblock“ eine Belastung von 4.350 DTVw (Durchschnittlicher Täglicher Kfz-Verkehr in 24 Stunden werktags, also Montag bis Freitag) auf. Die ampelgeregelte Kreuzung Gürtelstraße / Berliner Allee ist mit 6.610 Kfz/24 h am stärksten belastet. Die ampelgeregelte Kreuzung Rossinistraße / Berliner Allee weist nur eine Belastung von 2.000 Kfz/24 h auf (siehe Präsentation Verkehrskonzept).
Das nun weitgehend realisierte Verkehrskonzept der 1. Stufe (inkl. Fahrradstraße Bizetstr.) teilt das Komponistenviertel in zwei Teile entlang der Smetanastraße. Damit wird der Kfz-Durchgangsverkehr unterbunden, allerdings zu Lasten einer Durchlässigkeit innerhalb des Quartiers.
Das Planungsbüro rechnete damit, dass nicht alle Autofahrenden die Einbahnstraßenregelung beachten werden. Daher soll in Stufe 2 eine Diagonalsperre an der Herbert-Baum-Straße / Bizetstraße den Kfz-Durchgangsverkehr baulich unterbinden. Dieser sog. „Modale Filter“ soll durchlässig sein für Müll- und Rettungsfahrzeuge, vermutlich ausgestattet mit umlegbaren oder per Motor versenkbaren Pollern.
Unsere Einschätzung
Wie befürchtet, führt die verkehrliche Zweiteilung des Komponistenviertels zu Entrüstung der Kfz-Besitzer insbesondere im stadtauswärts gelegenen Teil, von dem man im Auto nun nur mit Umwegen stadteinwärts kommt. Die Anwohnerinformation erfolgte überaus lückenhaft, nicht etwa wie versprochen in jeden Briefkasten. Da die umfangreiche Beschilderung im Verlauf mehrerer Tage angebracht, am falschen Ende begonnen und zwischendurch sogar geändert wurde, gab es chaotische Szenen, insbesondere in der nördlichen Smetanastraße. Stadtauswärts gibt es lediglich vor der Gürtelstraße ein Hinweisschild hinter einem Baum versteckt.
Nach umfangreichen Polizeieinsätzen werden die Einbahnstraßen inzwischen überwiegend akzeptiert und der Kfz-Durchgangsverkehr ist tatsächlich weitgehend aus dem Viertel verschwunden. Angenehmer Nebeneffekt: Auch parkende Autos – offenbar von Menschen, die nicht dort wohnen, – gibt es weit weniger als vorher und daher weniger Falschparker.
Die Verkehrsberuhigung durch gegenläufige Einbahnstraßen führt leider nicht dazu, dass Verkehrsflächen für andere Nutzungen durch Anwohner frei werden. Charme und Erfolg der auch in diesem Projekt vorbildhaft genannten Barcelona-Superblocks beruhen vor allem in der Umwandlung von Verkehrsflächen in Spiel- und Aufenthaltsflächen. Wir fordern, dass Kiezblock-Konzept um diese Elemente zu erweitern. Dazu halten wir die Reduktion von Parkflächen und mittelfristig die Einführung der Parkraumbewirtschaftung für erforderlich.
Fahrradstraße
Wir vermuten, dass die Fahrradstraße in der Bizetstraße vor allem dem Ziel dient, die parallele Berliner Allee von den vom Mobilitätsgesetz geforderten Radverkehrsanlagen (mit eigener Fahrradspur) zugunsten von zusätzlichem Kfz-Durchgangsverkehr frei zu halten.
Die Fahrradstraße Bizetstraße hat keine fahrradgerechte und legale Anbindung an die Gartenstraße bzw. Berliner Allee. Daher hat sie keine verkehrliche Funktion für den Radverkehr über das Komponistenviertel hinaus (siehe unter Beitrag dazu). Sie ist daher kein Ersatz für Radwege auf der Berliner Allee!
Ein Kiezbewohner berichtet Mitte Juli 23 auf der Seite des Ökostromanbieters EWS lesenswert über den Kiezblock: https://www.ews-schoenau.de/blog/artikel/ploetzlich-kiezblock/
Kiezblock-Informationsveranstaltung am 9. März 2022 – Zusammenfassung
Die Kiezblock-Informationsveranstaltung am 9. März 2022 mit rd. 90 Teilnehmer:innen ist ausführlich dokumentiert unter
- https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/aemter/stadtentwicklungsamt/mobilbericht/kiezblocks-1121335.php
- Präsentation Verkehrskonzept (Daraus sind die Bilder in diesem Artikel)
- Ergebnispräsentation
Die Zeitplanung wurde von Herr Brost, Projektleiter Stadtentwicklungsamt Bezirk Pankow, vorgestellt. Der Bezirk ist allein zuständig für die Umsetzung der Maßnahmen.
- Repräsentative Befragung März & September 2022
- Ortsbegehung des Komponistenviertel mit Projektbeirat
- Kiezblockfonds Umsetzung ausgewählter Maßnahmen im öffentlichen Raum (Budget 50.000 €)
- Quartal 2022 Umsetzung der Maßnahmen Stufe 1a Verkehrskonzept. Die Fahrradstraße kommt später.
- Sommer 2022 Kiezblock-Forum zur Halbzeit des Forschungsprojekts
- Frühling 2023 Veranstaltung zum Rückblick auf die einjährige Feldversuchsphase
Die Fahrradstraße Bizetstraße wurde von Herrn Rogahn, Fahrradstraßenplanung im Straßen- und Grünflächenamt Pankow, präsentiert.
Das Verkehrskonzept erläuterte Herr Müller-Brandes vom beauftragten Planungsbüro „stadtraum“.
Die erste Stufe (Einbahnstraßenregelung) sollte noch im Sommer 2022 umgesetzt werden. Wir forderten, alle Bewohner vorab flächendeckend zu informieren.