Die Planfeststellung ist in Deutschland ein formelles, aufwändiges Verwaltungsverfahren (1) zur Erlangung einer grundsätzlichen Baugenehmigung u. a. für Infrastruktur-Bauvorhaben. Bauvorhaben wie beispielsweise neue Straßen, Eisenbahntrassen oder ein Flughafen betreffen wegen ihrer Ausdehnung und Auswirkungen (z. B. Lärm, Luftverschmutzung, Beeinträchtigung der Umwelt) die Allgemeinheit (2), z. B. Anwohner:innen und/oder Verkehrsteilnehmer:innen.

Bei Beginn eines  Planfeststellungsverfahrens sind die wesentlichen Elemente der Planung bereits festgelegt. Es gibt keine Varianten mehr. Die sog. Genehmigungsplanung (als erster Teil des Planfeststellungsverfahrens) folgt als 4. Stufe nach HOAI (3) auf die Entwurfsplanung. In ihr sind insbesondere die (meist negativen) Auswirkungen des Vorhabens auf Bewohner:innen und Umwelt und ihr Ausgleich detailliert dazustellen. Zum Beispiel sollen die Bewohner wegen mehr Lärm durch eine neue Straße in ihrer Nähe Schallschutzfenster erhalten. Die Ermittlung der sog. Betroffenheiten und Vorschläge zum Ausgleich können spezialisierte Ingenieurbüros für den Bauherrn, der hier Vorhabenträger heißt, übernehmen. Für die Lärmberechnung und die Ausgleichsmaßnahmen gibt es detaillierte Vorschriften (4) und besonderen Fachplanungen, z. B. die Umweltverträglichkeitsprüfung und der Landschaftspflegerische Begleitplan.

Im Planfeststellungsverfahren werden die ermittelten Betroffenheiten überprüft und ihr Ausgleich festgelegt.  Der abschließend erlassene Planfeststellungsbeschluss ist ein Verwaltungsakt. Er enthält i. d. R. eine Genehmigung des Vorhabens unter Auflagen für einen gewissen Zeitraum (häufig: 10 Jahre), der in dem jeweiligem Fachplanungsgesetz steht. Innerhalb dieser Frist muss der Baubeginn erfolgen, sonst verfällt die Genehmigung. Es besteht aber keine Pflicht zu bauen.

Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

  1. Erstellung der Genehmigungsplanung
  2. Anhörungsverfahren

Der Vorhabenträger reicht seinen Plan, bestehend aus Zeichnungen und Erläuterungen, bei der Anhörungsbehörde ein. Die Anhörungsbehörde fordert die Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, zur Stellungnahme auf und veranlasst die betroffenen Gemeinden, das Verfahren öffentlich anzukündigen (üblich: Zeitungsanzeige). Der Plan muss einen Monat lang öffentlich zur Einsicht im Amt ausliegen. Meist werden die Pläne auch ins Internet gestellt, manchmal aber unvollständig.

Behörden, deren Aufgabenbereich berührt wird und anerkannte Naturschutzverbände können Stellungnahmen zu dem Plan abgeben. Betroffene Bürger:innen können gegen den Plan bis zwei Wochen nach Auslegungsende Einwendungen erheben. Einwendungen sollen sachliche, auf die Verhinderung oder Modifizierung des beantragten Vorhabens abzielende Schreiben sein. Falls die Betroffenheit sich nicht aus dem Wohnort ergibt, sollte sie erläutert werden.

Nach Ablauf der Einwendungsfrist übergibt die Anhörungsbehörde die Einwendungen und  Stellungnahmen dem Vorhabenträger mit der Bitte um Stellungnahme. Aufgabe der beauftragten Planungsbüros ist es dann, die Einwendungen zu prüfen und  – im Sinne ihres Auftraggebers – abzulehnen. Ob und wann die Einwender:innen diese Antworten auf ihre Einwendungen zur Kenntnis erhalten, liegt im Ermessen der Behörde.

Die Einwendungen werden in einem nichtöffentlichen Erörterungstermin behandelt. Hier können alle Einwender:innen nochmals ihre Einwendung erläutern und den Vertretern des Vorhabenträgers Fragen stellen. Erfahrungsgemäßg können Nicht-Justist*innen in diesem Verfahren sehr selten Erfolge erzielen.

Die Anhörungsbehörde fasst das Ergebnis des Anhörungsverfahrens in einer Stellungnahme zusammen und leitet diese der Planfeststellungsbehörde zu.

  1. Abwägung und Entscheidung

Die Planfeststellungsbehörde entscheidet über die Einwendungen, über die bei der Erörterung vor der Anhörungsbehörde keine Einigung erzielt wurde. Zentrales – und problematisches (s. u.) – Instrument ist die Abwägung der einander widersprechenden Belange.

Dem Träger des Vorhabens können im Planfeststellungsbeschluss Auflagen gemacht werden: So sind z. B. für zu rodende Pflanzen Ersatzpflanzungen erforderlich, Flächenversiegelungen müssen durch Entsiegelung bzw. Aufwertung kompensiert, bedrohte Tierarten vergrämt oder umgesiedelt werden. Für verlärmte Wohnungen erhalten Bewohner Anspruch auf Schallschutzfenster und für verlärmte Balkone oder Gärten einmaligen Schadensersatz in Geld.

Ein Planfeststellungsverfahren dauert wegen der aufwändigen umfangreichen Unterlagen und der vorgegebenen Fristen mindestens 1 Jahr. Bei kleinen, einfachen, unumstrittenen Vorhaben werden oft 1,5 Jahre angesetzt. Bei großen und/oder umstrittenen  Vorhaben können es auch mehrere Jahre werden. In Berlin wurden in den letzten Jahren bei mehreren Planfeststellungsverfahren Neustarts (neue Auslegung) oder Verfahrensabbrüche erforderlich, weil Vorhabenträger Fehler (5) gemacht hatten.

Wohl deshalb wurde die Fahrbahnverbreiterung im Zuge der Sanierung der A114 mit einer juristischen Argumentation als nicht planfeststellungspflichtig erklärt und damit den Anwohnern Lärmschutz (neue Schallschutzwand bzw. Erhöhung, Schallschutzfenster) vorenthalten.

Auf der Berliner Allee soll die Grundinstandsetzung ohne „wesentliche“ und damit planfeststellungspflichtige Änderungen geschehen, um ein Planfeststellungsverfahren zu vermeiden. Änderungen von Bordverläufen und der Lage von Gleisen gelten als wesentlich und sollen daher unterbleiben. Der Anspruch auf Schallschutzfenster entfällt, weil es keine Genehmigungsplanung gibt, die eine zu hohe Lärmbelastung feststellt und die daher auch nicht ausgeglichen werden muss.

Gegen einen Planfeststellungsbeschluss können Einwender:innen klagen. Das Verwaltungsgericht muss im Prozess aber nur prüfen, ob das Verfahren fehlerfrei war. Eine inhaltliche Überprüfung liegt jedoch im Ermessen des Gerichts.

Grundsätzliche Kritik am Planfeststellungsverfahren

  • Planfeststellungs- und Anhörungsbehörden sind oft mit Jurist:innen besetzt. Vorhabenbezogener Sachverstand liegt dort meist nicht vor. Vorhabenträger bzw. deren beauftragte Ingenieurbüros haben ihn, Umweltverbände nicht unbedingt (oft nur ehrenamtlich), Bürger:innen meist gar nicht. Hier argumentieren also oft Laien gegen Profis.
  • Die den Abwägungen der Jurist:innen zugrundeliegenden rechtlichen Regelungen sind veraltet und spiegeln weder die Begrenztheit der Erde, die Bedeutung der Artenvielfalt, die Erfordernisse zur Begrenzung der Erderwärmung noch die gesundheitlichen Auswirkungen von Immissionen (z. B. Lärm) wieder.
  • Dadurch werden Klima- und Umweltschäden sowie Immissionswirkungen auf Menschen systematisch unterschätzt und in der Abwägung weder als Gründe zur Versagung der Genehmigung herangezogen, noch sachgerecht und ausreichend kompensiert.

Beispiele:

  • Lärm ist gesundheitsschädlich, macht krank und verursacht vorzeitige Todesfälle. Und zwar auch schon bei Pegeln, die nach 16. BImSchV (4) zulässig sind. Dennoch ist es rechtlich zulässig und üblich, die Verletzung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (6) durch dauerhaft verlärmte Balkone, Gärten und Freiflächen mit einmaligen (!) Geldzahlungen zu „kompensieren“.
  • Nach Lärmschutzrichtlinien zur Straßenverkehrsordnung (LR-StVo 2007)(7) ist das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit mit den Interessen des Kfz-Verkehrs (u. a. seiner „Leichtigkeit“) abzuwägen. Die genannten Richtwerte (nicht Grenzwerte) für Lärm sind auch noch extrem hoch, weit höher als gesundheitlich unbedenkliche Werte. Üblicherweise wird das verfassungsmäßige Grundrecht „weggewogen“. Diese Abwägungsmöglichkeit und -pflicht ist u. E. verfassungswidrig.
  • In § 45 StVO geht es zwar u. a. um den „Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen“. Deren Schädlichkeit für Gesundheit bzw. Klima wird aber nicht genannt und spielt für die Abwägung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde keine Rolle.
  • In den Vorschriften für Nutzen-Kosten-Analysen (z. B. standardisierte Bewertung für ÖPNV-Vorhaben, NKA für den Bundesverkehrswegeplan) werden Klima- und Umweltschäden mit Geld bewertet und können durch beliebigen, ebenfalls mit Geld bewerteten Nutzen „ausgeglichen“ werden. Nicht rückholbare, also unbezahlbare Klimaschäden z. B. durch Autoabgase werden damit legalisiert und z. B. durch (angebliche) Zeitersparnis für Autofahrer:innen „ausgeglichen“ – z. B. bei Ortsumfahrungen, wie in Malchow geplant.
  • Nur die wenigsten Bürger:innen sind in der Lage, die ausgelegten umfangreichen  Unterlagen zu verstehen und rechtzeitig juristisch und fachlich relevante Einwendungen zu formulieren. Die große Mehrheit der Betroffenen wird ausgeschlossen. Planfeststellungsverfahren sind daher weder demokratisch, noch qualitativ gute Bürgerbeteiligung.
  • Planfeststellungsverfahren enden i. d. R. mit einer Zulassung des Vorhabens, sei es noch so schädlich. Der Autorin ist kein Bauvorhaben bekannt, was durch ein Planfeststellungsverfahren oder ein anschließendes Gerichtsverfahren verhindert wurde. Es sind höchstens geringfügige Änderungen oder aufwändigere Ausgleichsmaßnahmen möglich.

Beispiele:

    • Autobahn A20 durch Moorgebiete
    • Erweiterung des Airbuswerkes in Hamburg mit ersatzloser, unwiderbringlicher Zerstörung eines mit allerhöchstem nationalen und europäischem Naturschutz versehenen Süßwasserwatts für den – inzwischen eingestellten – Bau des A380
    • Erweiterung des Frankfurter Flughafens mit Rodung von „Bannwald“
  • Es gibt kein Recht auf gute Planung. Verbesserungsvorschläge dürfen ignoriert werden.
  • In Berlin sind die meisten der maßgeblich beteiligten Behörden – Vorhabenträgerin, Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde – in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz angesiedelt oder von ihr abhängig (z. B. BVG). Eine unabhängige Bearbeitung von Einsprüchen und unterschiedlichen  Interessenkonflikten ist schon allein daher unwahrscheinlich, weil fast alle hier beteiligten Behörden in Berlin unter dem Dach einer Senatsverwaltung sitzen.

(1) Das Planfeststellungsverfahren wird in den §§ 72 bis 78 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), in den zumeist inhaltsgleichen Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder sowie in einer Vielzahl von Fachplanungsgesetzen näher geregelt.

(2) Ist der Kreis der Betroffenen hingegen eingrenzbar und die Allgemeinheit nicht (negativ) betroffen genügt das nichtöffentliche Plangenehmigungsverfahren.

(3) Honorarordnung für Architekten und Ingenieure

(4) Für den Lärm z. B. die 16. Bundesimmissionsschutzverordnung (16. BImSchV)

(5) Bei Straßenbahn-Neubaustrecken, z. B. zum Ostkreuz, lag es am mangelhaften Schallschutzgutachten der BVG, bei der Verbindungsstraße Karow – B2 entdeckte wohl der Anwalt der Anwohner:innen Fehler.

(6) § 2 (2) Grundgesetz: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

(7) OK, diese Regelung gilt für bestehende Straßen, nicht für planfeststellungspflichtige Vorhaben. Sie ist aber ein in der Praxis sehr häufiges Beispiel für die völlig hinter wissenschaftlichen Erkenntnissen herhinkende Rechtssetzung.